Kindergarten Kocher
© Kindergarten Kocher

Mehr Raum für Kinder

Die  Umweltzeichen-Richtlinie für Kindergärten bezieht die Raumgestaltung als Teil des pädagogischen Konzepts mit ein. Dadurch wird u. a. die Bewegungsfreiheit gefördert und die Lärmentwicklung verringert.

Der Privatkindergarten Kocher in Graz liegt auf einem Hügel am Rande der Stadt. Eine große Wiese mit Obstbäumen, Blumen und Gemüsegärten umgibt das Gebäude, drinnen stehen den Kindern weitläufige Räume zur Verfügung. Bewegung und Kreativität wird hier groß geschrieben. „Wir haben insgesamt 17 verschiedene Räume, vom Malraum über eine Bibliothek bis zum Turnsaal“, beschreibt Leiterin Brigitte Kocher den Kindergarten. „Die Kinder dürfen sich frei durch die Räume bewegen, müssen sich jedoch an gewisse Regeln halten.“ Ausschlaggebend sei aber der reformpädagogische Ansatz. „Unsere Kinder lernen Respekt und Würde sowie eigenverantwortliches Handeln.“ Das Ziel des Kindergartens sei laut Kocher, die Gesellschaft mit zu gestalten. „Das Raumkonzept spiegelt die pädagogische Grundhaltung in vielen Details wieder: unterschiedliche Raumebenen ermöglichen es den Kindern, unterschiedliche Standorte einzunehmen und damit unterschiedliche Perspektiven zu erleben“, wird die Kindergartenleiterin im BNE-Jahrbuch 2014 zitiert.

Raumkonzept auch zur Lärmvermeidung

Bereits die italienische Pädagogin Maria Montessori erkannte den Zusammenhang zwischen Raumgestaltung, Bewegungsmöglichkeiten und geistiger Entwicklung des Kindes. Auch die künftige Umweltzeichen-Richtlinie für Kindergärten soll neben den Schwerpunktthemen Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge und Bildungsqualität ein Raumkonzept beinhalten. Das führt im besten Fall zu einer Verringerung des Lärmpegels in Kindergärten. Eine Diplomarbeit von Sonja Brachtl, Mitarbeiterin am Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung (ÖAL) ergab drei Komponenten für die Entstehung von Lärm im Kindergarten: Raumstruktur, Kinderanzahl im Gruppenraum sowie das soziale Verhalten der Kinder. Bei einem Vergleich des Lärmpegels in Kindergärten weltweit schnitt Schweden am besten ab: Kleinere Gruppengrößen, eine größere Zahl an Betreuerinnen sowie die Aufteilung der Kinder auf mehrere Räume wirken sich hier positiv auf den Lärmpegel aus. Weniger Lärm wiederum erleichtert die Sprachverständlichkeit und das Erlernen von Sprache. „Eine schlechte Sprachverständlichkeit wirkt sich vor allem auf Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache aus, denen es dadurch schwerer fällt, die deutsche Sprache zu erlernen“, erklärt Mag.a Sonja Brachtl vom ÖAL.

Bildungscampus in Wien Favoriten

Campus 1100
© Herta Hurnaus

Beim Bau des Kindergartens im Bildungscampus Sonnwendviertel in Wien wurde auf das Raumkonzept großer Wert gelegt: Der Kindergarten besteht, ebenso wie die angeschlossene Volks- und Neue Mittelschule, aus vier sogenannten Clustern - Einheiten aus jeweils vier Bildungsräumen, Projektraum und Teamraum. Die Räume sind rund um einen gemeinsamen Marktplatz angeordnet, der von Kindern und Betreuern gleichermaßen genutzt werden kann. Jedem Bildungsraum ist eine Freiklasse zugeordnet. „Die Freizeitbereiche wurden bewusst nicht getrennt errichtet, sondern das Konzept einer „Wohnschule“ entwickelt“, erklärt Georg Poduschka vom verantwortlichen Archikturbüro PPAG (Link mit weiteren Fotos): „Die Kinder erledigen Aufgaben, erarbeiten Projekte oder erfahren spezifische Förderung.“ Zum Bildungscampus gehören u. a. auch ein Mehrzwecksaal, eine Kino- und Theatertreppe, ein Gymnastiksaal sowie eine 3-fach-Turnhalle.

2017 fand die Pilotphase unter Einbeziehung interessierter Kindergärten statt um die Umsetzbarkeit und Überprüfbarkeit der Umweltzeichen-Kriterien in der Praxis zu testen. Parallel dazu wurden Berater und Prüfer ausgebildet. Die Richtlinie trat mit 1. Juli 2017 in Kraft. Im Februar werden die ersten sechs Kindergarten nach der neuen Richtlinie geprüft.

Weitere Informationen

Das Raumkonzept in der Pädagogik