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Papier – in Österreich bald ausverkauft?

Große Sorgen hat derzeit die österreichische Papierindustrie. Denn: Die Papierproduktion benötigt große Mengen an Gas. Was aber passiert, wenn dieses rationiert werden muss? Ist dann Papier in Österreich schnell „ausverkauft“?  Wir haben dazu mit Ernst Brunbauer von der Lenzing Papier GmbH gesprochen.

Zeitungen, Bücher, Hefte, Verpackungen von Lebensmitteln, Einkaufstaschen – und natürlich Toilettenpapier! Für die Herstellung dieser Papiersorten braucht die Industrie viel Erdgas. Vor allem deshalb, weil etliche Papierhersteller Gas als Primärenergiequelle gewählt haben und eine kurzfristige Umstellung auf beispielsweise Öl nicht möglich ist. Die Auswirkungen der aktuellen Energiekrise und die damit einhergehenden Herausforderungen für die Papierbranche sind daher in letzter Zeit auch in Österreich ein großes Thema.

Die derzeitige Situation kann auch die Arbeitsplätze von 7.600 Menschen gefährden, die in der österreichischen Papierindustrie beschäftigt sind: Denn es geht um Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas: Preiserhöhungen können Auftragsverluste einbringen!

Nachhaltige Papierherstellung in Lenzing

Wir haben uns deshalb zu einem Gespräch mit Ernst Brunbauer getroffen. Er ist Geschäftsführer der Lenzing Papier GmbH (www.lenzingpapier.com), die ihren Sitz in der gleichnamigen oberösterreichischen Marktgemeinde hat. Lenzing Papier beschäftigt sich schon lange und intensiv mit nachhaltiger Papierherstellung. Daher können auch viele der Lenzinger Papiersorten am Markt mit dem Österreichischen Umweltzeichen punkten.

Herr Brunbauer, in welchen Bereichen kommt Erdgas bei Lenzing Papier zum Einsatz? Lenzing Papier verwendet Erdgas mit Direktverbrennung bei den Infrarot-Trocknern. Die restliche Energie stammt aus anderen Energieträgern. In der kalten Jahreszeit muss Erdgas zusätzlich in geringem Ausmaß eingesetzt werden.

Papier kann nur mit Gas getrocknet werden? Für das Trocknen von Papier ist thermische Energie erforderlich. Das muss nicht notwendigerweise Gas sein. Der Einsatz des jeweiligen Brennstoffs hängt von den vorhandenen Energieerzeugungsanlagen ab.

Es gibt einen Energieüberschuss bei der Zellstofferzeugung? Das ist grundsätzlich richtig, denn beim Kochprozess von Holz fallen neben den erwünschten Fasern auch Hemicellulosen und Lignin an. Diese Mischung wird in einem Kessel verbrannt, um daraus die Kochchemikalien zurückzugewinnen. Die dabei entstehende Wärme wird zur Dampferzeugung genutzt.

Lenzing Papier setzt Dampf ein, den die Lenzing AG infolge der Erzeugung von Zellstoff generiert. In Subprozessen der Zellstofferzeugung wird häufig auch Gas verwendet, es könnte aber prinzipiell auch ein anderer Brennstoff verwendet werden. Fazit ist aber, dass durch die Verknüpfung von Zellstofferzeugung und Papiererzeugung viel Primärbrennstoff substituiert werden kann. Die Papier- und Zellstoffindustrie betreibt aus wirtschaftlichen Gründen Kraft-Wärme-Kopplungen, die mit dem zur Trocknung benötigten Dampf Strom mit Hilfe von Dampfturbinen erzeugt.

Trotzdem: Was würde bei Lenzing Papier passieren, wenn es zu einem Gasembargo kommt?

Mehrere Betriebe, die keine Zellstofffabrik als Quelle haben, haben sich auf Gas als Primärenergieträger gestützt. Wenn kein Gas mehr zur Verfügung steht, müssen die betroffenen Unternehmen den Betrieb einstellen, weil eine rasche Umrüstung der Kesselanlagen auf alternative Brennstoffe in den meisten Fällen nicht möglich ist. Daher gibt es kurzfristig bei den erwähnten Papierherstellern keine Alternative zu Gas.

Herr Brunbauer, kann es so tatsächlich in Österreich zu Versorgungsproblemen bei grafischem Papier kommen? Ja. Die letzten Monate zeigen, dass viele Werke in Europa auf Grund der hohen Energiekosten bereits temporär Abstellungen vornehmen mussten.

Papier Lenzing recycelt auch Altpapier. Wird Papier-Recycling in Österreich schwieriger, da zunehmend weniger Papierprodukte im Umlauf sind? Lenzing Papier hat keine Probleme in der Beschaffung von Altpapier, allerdings sinkt dessen Qualität deutlich.

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Wird es Ihrer Einschätzung nach zu weiteren Preissteigerungen bei Papier kommen? Im Vergleich zum Vorjahr ist der Papierpreis um 40 % gestiegen. Wenn die Kosten weiterwachsen, muss die Industrie die Preise erneut erhöhen. Die Aussage „Preisauftriebe aus dem Bereich der Energie können von den österreichischen Papierherstellern nicht abgefedert werden.“ ist vollkommen richtig.

Steuern wir – auch durch die Preissteigerungen – auf eine immer mehr „papierlose“ Gesellschaft zu? Nein, im Gegenteil! Eine Umstellung von On-Line auf Papier ist Realität. Gerade Bücher werden hauptsächlich auf Papier gelesen. Werbungen und Broschüren werden mehr und mehr wieder auf Papier gedruckt. Online-Werbungen stellen sich als nicht effektiv heraus. Werbungen werden daher wieder mehr auf traditionelle Medien umgestellt. Zum Beispiel sagt BMW klar, dass Broschüren auf Papier wesentlich für die Präsentation der Produkte sind. Was passiert ist, dass die allgemeine Nachfrage geringer geworden ist. Auf Grund der Wirtschaftskrise werden weniger Bücher gelesen. Und es werden auch die Budgets für Werbung gekürzt.

Nicht nur auf dem Papier

Wir danken Ernst Brunbauer, Geschäftsführer der Lenzing Papier GmbH, für das informative Gespräch. Es ist zu hoffen, dass sich die österreichische und europäische Politik der hier vorgestellten Problemfelder in der Papierindustrie bewusst ist. Und Lösungsansätze nicht nur „auf dem Papier“ bleiben!