BNE Baum
© Schneider

In der Öffentlichkeit ein Zeichen setzen

„Bei der Bewerbung um das Österreichische Umweltzeichen haben uns vor allem die Gedanken motiviert,  in der Öffentlichkeit ein Zeichen zu setzen, dass eine Bildung der Nachhaltigkeit bereits im Kindergarten beginnt“ so Manuela Kössler.

Manuela Kössler leitet den KIWI Betriebskindergarten Wirtschaftsuniversität Wien. Er erhielt 2018 das Österreichische Umweltzeichen. Wir haben uns mit Frau Kössler über die Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit im Kindergarten unterhalten.

Der KIWI Betriebskindergarten WU Wien am Welthandelsplatz im zweiten Wiener Gemeindebezirk (https://www.kinderinwien.at/standorte/1020-betriebskindergarten-wu-wien) bietet 80 Kindern Platz. Es gibt vier alterserweiterte Gruppen. Jede Gruppe besteht aus maximal 20 gleichzeitig anwesenden Kindern im Alter von 1 bis 6 Jahren. Pro Gruppe sind sieben Kinder unter 3 Jahren, die restlichen Kinder sind im Alter zwischen 3 und 6 Jahren. Das Team besteht aus vier Vollzeitpädagoginnen, vier Teilzeitpädagoginnen, vier English Assistants, einem Zivildiener, einer Reinigungskraft und der freigestellten Leiterin Manuela Kössler. Sie hat engagiert unsere Fragen beantwortet.

Frau Kössler, warum war Ihnen die Zertifizierung des Kindergartens mit dem Umweltzeichen ein Anliegen?

Wir waren als Pilotkindergarten beim Erstellen und Erproben der Richtlinie für die Zertifizierung zum Umweltzeichen-Kindergarten mit dabei. Bei der Auseinandersetzung mit dieser Thematik wurde uns schnell klar, dass wir die Anforderungen, die das Umweltzeichen an elementare Bildungseinrichtungen stellt, zum Teil bereits im Kindergartenalltag leben und dass die Zertifizierung der nächste erstrebenswerte Schritt für uns ist.

Wie hat das Team des Kindergartens den Weg zum Umweltzeichen erlebt, darauf reagiert?

Das gesamte Team war sofort bereit, den Prozess mitzutragen. In Teamsitzungen wurden die Richtlinien besprochen, Möglichkeiten der Umsetzung geplant und Arbeitsaufträge dazu verteilt. Eine langjährige Pädagogin nahm sich ganz besonders der Thematik an und wurde eine sehr engagierte und wichtige Stütze im Umweltzeichenteam.

Welche positiven Effekte brachte die Erfüllung der Kriterien für Ihre pädagogische Arbeit, Frau Kössler?

Vor allem hat es unser pädagogisches Selbstverständnis gestärkt. Es hat uns gezeigt, dass es bereits viele Parallelen zwischen der Umweltzeichen-Richtlinie und dem KIWI- Konzept gibt. Die Auseinandersetzung mit der Thematik hat aber sicher auch zur Entwicklung weiterer Qualitätsstandards beigetragen. Positiv ist auch, dass sich durch das Umweltzeichen interessante Kooperationen ergeben. Wir sind nun Teil des „Bildungsgrätzl Stuwer Viertel Zwei“. Das ist eine bunte Mischung von Institutionen, die unter dem Motto „It takes a Grätzl to raise a child“ versuchen, Kinder im Grätzl beim Heranwachsen niederschwellig zu begleiten und ihre Bildungsmöglichkeiten zu erweitern. Vor Weihnachten wurden wir kontaktiert, um bei der Aktion „Gesunde Raumluft“ mitzumachen. Mit einem Messgerät wurde die Raumluft in jedem Gruppenraum gemessen. Die Kinder konnten anhand eines Farbsystems die Qualität der Raumluft erkennen. Diese Aktion war dann wieder Anlass dafür, mit Kindern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darüber zu sprechen, wie richtiges Lüften und eine angenehme Raumtemperatur das Wohlbefinden beeinflussen kann.

Was bedeutet das Umweltzeichen für den Kindergarten?

Für mich bedeutet diese Auszeichnung vor allem Anerkennung und Wertschätzung unserer Arbeit. Es hebt die Bedeutung des Kindergartens als erste Bildungseinrichtung im Leben eines Menschen hervor und zeigt, dass bereits hier der Grundstein für ein verantwortungsvolles, partizipatives, nachhaltiges, ressourcenschonendes und wertschätzendes Verhalten gelegt wird. Es gibt mir ein gutes Gefühl, einen Beitrag für eine bessere Zukunft unserer Kinder leisten zu können.

Verrottungsversuch
© Daim

Frau Kössler, wie werden die MitarbeiterInnen bei der Umsetzung der an das ÖZ geknüpften Kriterien miteinbezogen?

In der Konzeptionswoche Ende August werden die Richtlinien gemeinsam überprüft und mögliche Jahresschwerpunkte fixiert. Es gibt Themen wie Müllvermeidung, gesunde Ernährung, Aufenthalt im Freien, Partizipation, Lärmvermeidung und Mobilität, die von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kindergartenalltag aufgegriffen und mit den Kindern in verschiedensten Formen aufgearbeitet werden, aber auch Themen wie z. B. Sonnenenergie oder Wasserverschmutzung, die nur mit einer bestimmten Projektgruppe bearbeitet werden.

Welche pädagogischen Ansätze wurden im Umweltzeichen-Prozess verstärkt bzw. neu hinzugenommen?

Wir setzen uns immer wieder bewusst die „Nachhaltigkeitsbrille“ auf, um im Team zu überlegen, wo wir noch weiter optimieren können. Die Kinder erhalten die Möglichkeit, mit vermeintlich wertlosem Material zu experimentieren, schaffen dadurch kreative Prozesse und geben Upcycling-Werkarbeiten einen hohen Stellenwert. Kinder und Eltern erleben bei uns, dass Alltagsgegenstände und Abfallmaterial zu interessantem Spielmaterial umfunktioniert werden kann. Unsere Feste feiern wir mit Mehrweggeschirr, das wir teilweise von der Stadt Wien „mieten“. Auch Eltern bieten ihre Mithilfe an und stellen über Kontakte zu Restaurants oder Händlern das ausgeborgte Mehrweggeschirr für unsere Feste bereit. Dadurch können wir sehr viel Müll vermeiden. Wir haben auch das Glück, dass uns sämtliche Departments der WU Wien mit Papier versorgen. Einseitig bedrucktes Papier wird nicht weggeworfen, sondern gesammelt, um es dann unseren Kindern als Zeichenpapier zur Verfügung zu stellen.

Wie haben die Eltern auf das Umweltzeichen reagiert?

Sehr positiv! In jeder Gruppe haben sich zwei Eltern bereit erklärt, beim Umweltzeichen mitzuwirken. Ansonsten gibt es sehr viel positives Feedback von den Eltern zu den Umweltzeichenthemen, die im Kindergarten aufgegriffen werden. Wir merken, dass sich viele Eltern bezüglich des Umweltzeichens auch Gedanken dazu machen, wie sie den Kindergarten unterstützen könnten. Letztes Jahr wurden zum Beispiel unsere Hochbeete gemeinsam von interessierten Kindern und den Großeltern eines unserer Kindergartenkinder bepflanzt, die privat einen Biobauernhof besitzen. Sie sponserten die Pflanzen, teilten ihr Knowhow und unterstützen uns laufend in der Pflege der Hochbeete mit wertvollen Tipps.

Können Sie durch das Umweltzeichen eine verstärkte Nachfrage an Plätzen in Ihrem Kindergarten erkennen?

Ja, wir erhalten immer wieder Anfragen von interessierten Familien, die für ihr Kind sehr bewusst einen Kindergarten suchen, der sich für Nachhaltigkeit, Partizipation und Naturverbundenheit engagiert. Da wir aber ein Betriebskindergarten sind, können kaum Plätze an externe Familien vergeben werden.

Welche Aktivitäten hinsichtlich des Umweltzeichens sind in nächster Zeit im Kindergarten geplant?

Von März bis Mai möchten wir wieder Mülltrennung und Müllvermeidung in den Mittelpunkt rücken, da wir wieder viele neue Kinder haben, die wir für dieses Thema sensibilisieren wollen. Wir möchten die Kinder wieder befähigen, zu Mülltrennprofis zu werden und ihr Wissen auch in die Familien zu tragen. Eine Mitarbeiterin hat die Fortbildung zu „Lärmvermeidung im Kindergarten“ besucht und möchte verschiedene Angebote erarbeiten, um Kindern Erfahrungs- und Lernanlässe zu bieten, die sich mit Lärm und Stille auseinandersetzen, aber auch das Team zu sensibilisieren, wie sie den Kinderlärm im Alltag reduzieren können. Ziel ist es, dass Kinder Strategien dazu entwickeln, was sie tun können, wenn es ihnen zu laut wird und dass sie über Möglichkeiten verfügen, jederzeit im Kindergarten ruhige Orte aufzusuchen.

Kinder sammeln Abfall
© KiWI WU Campus

Für Friedrich Fröbel sollte das Kind im Kindergarten „wie eine Pflanze gepflegt und gehegt werden“. Welche Rolle spielt gärtnerisches Tun in Ihrem Kindergarten, also der "Garten" im "Kindergarten"?

Wir verfügen über zwei Hochbeete, zusätzlich haben wir ein kleines Kräuterbeet, eine Naschhecke mit Ribiseln, Himbeeren und Brombeeren und einer wunderbaren Weinrebe mit roten und grünen Trauben. Es ist für die Kinder immer wieder ein Genuss, Beeren und Trauben direkt zu verkosten. Gurken, Tomaten und Paprika bereichern unsere Jause und aus den Kräutern haben wir schon köstlichen Sirup hergestellt. Jedes Jahr erleben die Kinder aber auch, wie aus Samen am Fensterbrett in den Gruppenräumen Setzlinge gezogen werden können. Sie erleben unmittelbar, was Pflanzen brauchen, um zu gedeihen und was passiert, wenn sie zum Beispiel nicht gegossen wurden.

Inwieweit ist es möglich, den Kindern eine Kultur der Nachhaltigkeit zu vermitteln? Gibt es dazu spezielle „Lerneinheiten“?

Kinder lernen vor allem in der spielerischen Auseinandersetzung mit den Dingen, mit allen Sinnen und über Nachahmung. Über das „Be-Greifen“ – das Hantieren, Erforschen und Experimentieren mit einer Sache – „begreifen“ sie ihre Umwelt und können Zusammenhänge herstellen und verstehen. Was es braucht, sind Lernanlässe und achtsame Pädagoginnen und Pädagogen, die Kinder im Lernen begleiten. Um das Thema Mülltrennung aufzugreifen, wäre zum Beispiel folgender Lernanlass möglich: Eine Gruppe Kinder geht mit den betreuenden Pädagoginnen bzw. Pädagogen in den nahen Grünen Prater. Sie nehmen sich vor, heute einmal darauf zu achten, ob Müll im Wald liegt. Die Pädagoginnen und Pädagogen überlegen mit den Kindern noch im Kindergarten, was sie mitnehmen müssen, um den Müll einsammeln zu können. Sie einigen sich auf Müllsäcke und Gartenhandschuhe. Nebenbei fließt ein, warum es notwendig ist, Handschuhe zu tragen, und dass es wichtig ist, einem Erwachsenen Bescheid zu geben, wenn sie spitze Gegenstände wie Nadeln, Scherben oder Klingen entdecken. Die Kinder nehmen an diesem Waldtag weggeworfenen Müll wahr und lernen nebenbei, was sie tun können, um ihre Umwelt sauber zu halten. Sie sind achtsam und entdecken neben dem Müll sicher auch Mülleimer am Weg. Im Kindergarten angekommen, wird der Müll nun gemeinsam aussortiert. Im Tun erfahren die Kinder, dass der Müll getrennt gesammelt wird. Nach dem Aussortieren könnte die Gruppe dann noch in den Müllraum des Kindergartens gehen oder zur Abfallsammelstelle vor dem Kindergarten, um die Materialien auszusortieren. Die Kinder erweitern im Tun ganz nebenbei ihre reale Lebensumwelt. Das gemeinsame Erleben des Müllsammelns und Mülltrennens wäre für die Kinder ein ganzheitlicher Lernanlass, der nun die Basis für weitere Lernfelder sein könnte.

Schüler sammeln Kastanien
© KiWi WU Campus

In den nächsten Wochen, könnte zum Beispiel in jeder Gruppe bewusst Müll getrennt werden. Die Pädagoginnen und Pädagogen stellen Bilderbücher oder Spiele, die das Mülltrennen zum Inhalt haben, zur Verfügung und vertiefen dadurch die Erfahrung der Kinder. Im Rollenspielbereich könnten den Kindern Utensilien wie Besen, Schaufel, Mülleimer mit Piktogrammen, Handschuhe, Warnwesten, Schildmützen zur Verfügung gestellt werden, um sich als Müllarbeiterin und Müllarbeiter zu verkleiden. Eine andere Idee wäre ein „Müllauto“, mit dem die Kinder ihre Erlebnisse und Beobachtung im Rollenspiel verarbeiten. Sie könnten aber auch einen Ausgang zum Mistplatz einplanen oder den „Müllkasperl“ in den Kindergarten einladen. Wesentlich ist aber, dass die Pädagoginnen und Pädagogen achtsam sind, das Tun und die Fragen der Kinder wahrnehmen und Wege und Möglichkeiten finden, wie sie die Lernfelder der Kinder erweitern und Gelerntes festigen können.

Eine Kultur der Nachhaltigkeit ist ein Prozess, der von allen Beteiligten im Kindergarten gelebt werden muss. Wenn Kinder erleben, dass sich Erwachsene Gedanken um ihre Umwelt machen und diese Erwachsenen den Kindern Möglichkeiten zeigen, wie sie diese Umwelt schützen können, wird es zu einer Selbstverständlichkeit für ein Kind, auf sich und seine Umwelt zu achten!

Wir danken Frau Manuela Kössler, dass sie uns Einblick in ihr engagiertes Tun im Kindergarten gegeben hat!